Freitag, 16. Januar 2009

Friedrich II.- Brückenbauer zwischen Europa und Orient

 Friedrich II. - Brückenbauer zwischen Europa und Orient

 

Wer war er? Erbe zweier Mächte: Hohenstaufer und Normanne, zweimal zum König ausgerufen, heiliger römischer Kaiser deutscher Nation, als Kaiser wieder in seinen letzten Jahren abgesetzt,

Der Mönch Matthäus von Paris sagt von ihm: er sei zum „stupor mundi et immutator mirabilis“ geworden- „zum Staunen der Welt und wundersamen Veränderer“. Aber stupor mundi bedeutet auch, nach mittelalterlichem Verständnis, Betroffenheit und Erschrecken über den, der das Bestehende zu verändern versucht hatte. Auf der anderen Seite, der kirchlichen Seite, beschimpft man ihn als Antichrist.

 

Sein Vater war der deutsche Kaiser Heinrich VI., sein Großvater Friedrich I. Barbarossa. Seine Mutter brachte das normannische Erbe mit Italien und Sizilien mit. Schon die Vorfahren mütterlicherseits waren sehr islamfreundlich.

Durch interne Konflikte wurde im 11. Jahrhundert das Land Sizilien verletzlich für Eroberungen aus dem Norden durch den normannischen Herzog Roger I.  Er fügte der muslimischen Bevölkerung und ihren gesellschaftlichen Strukturen aber keinen Schaden, er gewährte ihnen sogar Schutz und erkannte ihre Religion und Gesetzgebung ohne Vorurteil an.

Auch sein Nachfolger Roger II. (1101-1154) förderte alles Muslimische, so auch die islamische Dichtung und Wissenschaft. Man sagte heimlich, dass er ein muslimischer Sultan mit einer Krone sei. Er verwandelte Sizilien zu einer Brücke für den Tranfer der islamischen Kultur und Gesellschaft nach Europa. (ließ Münzen mit lateinischer, griechischer und arabischer Schrift prägen) .

Das Motto seines Sohnes Friedrich I, lautete: „Gepriesen sei Allah, und unsere Dankbarkeit gilt Seinen Segnungen.“

Dessen Sohn Wilhelm II. setzte die Tradition fort, kannte deren Sprache und Schrift. Sein Motto war: „ Gepriesen sei Allah!“

Nach ihm kam der Sohn von Heinrich VI. und der Tochter von Roger II. ,Friedrich an die Macht. Er wurde am 26.12.1194 in Jesi in der Nähe von Ancona zur Welt. Der Vater, Kaiser Heinrich VI war nicht zugegen, sondern befand sich nach Niederschlagung eines Aufstands zur Inbesitznahme der Mitgift seiner Gemahlin in Sizilien, wo er am Tag vor der Geburt seines Sohnes im Dom zu Palermo zum König von Sizilien gekrönt wurde. Die Geburt, die die Nachfolge im Erbkönigreich Sizilien sicherte, verlieh der Krönung eine weit über Sizilien hinausgehende Bedeutung; denn angenommen, der als Thronfolger feststehende Erbe in Sizilien würde durch Wahl wie sein Vater auch deutscher König oder gar mit Krönung durch den Papst Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, dann waren die welt- und besonders kirchenpolitischen Folgen dieser Verbindung nicht absehbar und gaben zu Befürchtungen Anlass, weil sich dann ganz Italien in staufischer Hand befinden würde.

Um ihm die Nachfolge zu sichern, setzte Heinrich bereits 1196 Friedrichs Wahl mit den Mitteln des Normannenschatzes zum deutschen König durch. Doch schon ein Jahr später starb Heinrich, und der Anspruch seines Sohnes wurde von den Fürsten im Reich angegriffen.

Seine Mutter hatte nur ein Ziel: Sizilien als normannisches Königreich wiederherzustellen, seine Unabhängigkeit zu sichern und ihrem Sohn die sizilianische Erbfolge zu sichern. Der Unterstützung des Papstes konnte sie gewiss sein. So wurde der erst Dreijährige zum König von Sizilien gekrönt.

Die römische Kirche und die Päpste selbst waren es, welche Ansprüche auf das Herzogtum Spoleto und die Mark Ancona - strategisch bedeutende mittelitaliensche Ländereien des Königreiches Sizilien - erhoben. Vor allem vermutete man sich im Kirchenstaat durch eine Verbindung zwischen Sizilien und dem Kaiserreich eingeklammert. 1198 starb auch Kaiserin Konstanze und setzte laut Testament den Papst zum Verweser des sizilianischen Königreiches ein. Derweil nahm der ehemalige Heereskommandant Markward von Annweiler, Markgraf von Ancona und Herzog der Romagna und von Ravenna. im Namen Friedrichs die Macht durch Gewalt in Sizilien an sich.  Der Junge wurde zum wichtigsten Unterpfand.  

Vom vierten bis zwölften Lebensjahr war der elternlos heranwachsende Friedrich nur ein Objekt in den Händen derer, die im eigenen Interesse in Sizilien die Macht ausübten. Er sah, wie die Deutschen das ohnehin ausgelaugte Land korrumpierten  Der Papst hatte ein Interesse, das Land als päpstliches Lehen zu behalten, hat aber nicht viel für  den Jungen getan. Man weiß nicht, unter welchen Bedingungen Friedrich aufwuchs., wie viele Lehrer er hatte, fest steht aber, dass er sich eine außergewöhnliche Fülle an Wissen und schon Lebenserfahrung aneignete. Im Umgang mit dem einfachen Leuten lernte er die Lebensgewohnheiten , Bräuche und Sprachen der Sizilianer, Normannen, Muslimen, Griechen, Juden und Deutschen. Er las alles, von Abenteuerbüchern bis zu den antiken und arabischen Klassikern, beschäftigte sich mit Naturwissenschaften und Sternenkunde. Es gibt Berichte, dass er geübt sei in der Handhabung jeglicher Waffen und ein guter Reiter war. Briefeschreiber bewundern die Frühreife, den Scharfsinn und die rasche Auffassungsgabe des Jungen, tadeln aber sein ungehöriges und rüdes  Benehmen. Elementare Kenntnisse mag er von päpstlichen Legaten bekommen haben, aber es gilt als sicher, dass er auch arabisch-islamische Lehrer hatte, ein Kadi, den er auf seinen späteren Kreuzzug erwähnt hatte. Was später Christen zum Ärgernis wurde, nämlich seine Vertrautheit mit der arabischen Geisteswelt, seine Sympathie für den Islam , Vorliebe bestimmter naturwissenschaftlichen Disziplinen und für die Philosophie wird wie ein Markenzechen für ihn sein. Er sagte über sich in der blumigen orientalischen Rhetorik :“ Ehe ich die Pflichten des Regierens auf mich nahm, strebte ich den Wissenschaften nach und atmete ihre balsamischen Düfte.“

Mit 14 Jahren wurde er mündig und bereits in den ersten Wochen seiner Regentschaft  zeigte er, dass er gewillt und fähig war, die Herrschaft über Sizilien und dem festländischen Teil, straff in die Hände zu nehmen.

Er heiratete die 11 Jahre ältere Witwe des Ungarnkönigs, Konstanze von Aragon, geheiratet, die Ehe muss glücklich gewesen sein.

 In Deutschland hatte  unterdessen  der Welfe Otto IV. mit Hilfe des englischen Königs gegen die Staufer, protegiert durch den französischen König das Rennen um die deutsche Kaiserkrone gewonnen. Aber kaum hatte Otto sein Ziel erreicht, als er alle Zusagen an den Papst bestritt. Er erhob auch Anspruch auf Sizilien und Apulien. Durch seine Politik und Wortbrüchigkeit geriet er in scharfen Gegensatz zu den päpstlichen Interessen und wurde nach einem Jahr seiner Kaiserwürde enthoben. Auf Drängen des französischen Königs und des Papstes und mit allen Mitteln der Intrige und Machtpolitik wurde in Nürnberg durch die deutschen Fürsten der sizilianische König zum deutschen König ausgerufen, er war gerade mal 17 Jahre alt.

Friedrichs folgende Zeit in Deutschland war geprägt von mühsamer Verwaltungsarbeit und Kleinkriegen zur Herrschaftsfestigung. Die enge Zusammenarbeit mit den Fürsten erwies sich als unerlässlich. Doch auch von Frankreich her bekam er Unterstützung. Bald stand der gesamte Süden Deutschlands auf Friedrichs Seite. Aber erst der Sieg des französischen Königs gegen den Welfenkaiser Otto IV. und gegen englische Truppen des englischen Königs machte den Weg 1215 zur Königskrönung in Aachen  frei.  Das spontane, völlig überraschende Gelübde, einen Kreuzzug zu unternehmen, das er zur Krönung ausgesprochen hatte, gehört zu den merkwürdigen Entscheidungen Friedrichs. Schon allein seine intensiven Beziehungen zum Islam seit seiner Jugend hätte alles andere erwarten lassen. Das Verhalten des Papstes lässt den Schluss zu, dass die Kirche offiziell keinerlei Einfluss auf die Entscheidung nahm, sondern dass sie sogar dem Papst ungelegen kam. Friedrich hatte wohl die Pläne des Papstes durchkreuzt, denn Papst Innozenz hatte selbst den Gedanken, als oberster Herr der Christenheit einen neuen Kreuzzug zu unternehmen. Der eben gekrönte König bekundete dadurch nichts weniger als den Anspruch, der höchste Schützer des Christenreiches zu sein. Indem er die Initiative ergriff, stärkte er seine  Position als  König und Kaiser gegenüber  den imperatorischen Bestrebungen Innozenz III. 

Der selbstbewusste junge König verwies mit dieser Initiative auf die Eigenständigkeit weltlicher Herrschaft gegenüber der Kirche. Bis dahin hatte er die uneingeschränkte Hilfe des Papstes, von nun an kam es immer wieder zu Unstimmigkeiten.

Die ersten Jahre seiner Regierung verbrachte Friedrich II. im Reich,  in der Absicht seine Stellung zu festigen. Bereits während seines ersten Aufenthalts in Deutschland bemühte sich Friedrich II., das Reichsgut wieder herzustellen, das während des Thronstreits stark geschrumpft war. Er brachte die Alpenübergänge an sich, gründete im Südwesten Deutschlands 39 neue Städte auf kirchlichem Territorium. Dadurch unterhöhlte er die Macht der jeweiligen klerikalen Landesherren .

Aber er gestand auch 1213 dem Papst Innozenz III. die Territorialrechte in Mittelitalien zu, was den Kirchenstaat erheblich vergrößerte. Und er verzichtete auf das Recht, bei der Bischofswahl mitzuwirken, wodurch die Kirche vom Staat unabhängig wurde.
Aber um die Kaiserkrone zu erhalten, musste er auf die sizilianische Krone verzichten und seinen Sohn Heinrich als König von Sizilien einsetzen.

Am 22. November 1220 salbte Papst Honorius III. Friedrich II. in Rom zum Kaiser.
 Nachdem Friedrich nach 8 Jahren in Deutschland in Süditalien angekommen war, änderte er sich schlagartig. Friedrich wollte seine Herrschaft nicht auf Gewalt aufbauen, sondern auf das Recht. Mit den Assisen con Capua (Gesetze) ließ er einen allgemeinen Frieden ausrufen. Seine absolute Autorität verbürgte den Schutz der Untertanen. Wo bisher die einzelnen Feudalherren mehr oder weniger willkürlich Recht sprachen, sollte die von Friedrich eingesetzten Justitiare die Rechtssprechung übernehmen. Sie sollten auch  die Adelsfehden beenden. Darüber hinaus erklärte er alle Schenkungen und Privilegien für ungültig, die seit 1189 erteilt worden waren. Alle übrigen Privilegien mussten durch die königliche Kanzlei neu bestätigt werden. Honorius III., der sich als Lehnsherr Siziliens sah, protestierte gegen dieses Vorgehen Friedrichs, konnte sich aber nicht durchsetzen. Eine noch schwerwiegenderer Konfliktstoff bildete Friedrichs Kreuzzugversprechen vom Jahre 1215. Er hatte die Erfüllung immer wieder hinausgezögert, doch der Kreuzzug, der die Macht in Ägypten brechen sollte, fand ohne ihn statt und war gescheitert. Der Papst machte ihn für die Katastrophe verantwortlich. Ein Kreuzzug in dieser  Zeit wäre für Friedrich teuer geworden, die Reorganisation des Königreiches war noch nicht abgeschlossen, die Barone und Grafen warteten nur auf eine Blöße des Kaisers - und es gab noch ein großes Problem, was der Papst als Grund anerkennen musste: die Sarazenen. Ein überaus beschwerlicher und grausamer Kleinkrieg zog sich einige Jahre hin. Nach dem letzten toleranten Normannenkönig hatten sich unabhängige räuberische Sarazenen in das Bergland zurückgezogen und dort Burgen und Dörfer gegründet. Ihre Raubzüge bedrohten sogar die größeren Städte. Ihre  Besiegung war mit einem ungewöhnlichen Experiment verbunden: Die 16000 Sarazenen wurden nicht vernichtet, sondern auf das Festland umgesiedelt. Die Ansiedlung von „Ungläubigen“ sollte bald die schärfste Missbilligung der Kirche hervorrufen. In kurzer Zeit wurde aus dem wüsten Flecken ein blühendes Gemeinwesen, sie errichteten Moscheen mit Minarette, lehrten und lernten in eigenen Koranschulen, waren die  Zulieferer für den nahe liegenden Lieblingsort des Kaisers. Sie durften ihre Religion ausüben, entfalteten ein islamisches kulturelles Leben, und sie stellten die treu ergebene Leibgarde und bevorzugte Diener des Kaisers. --- Wie geht das ohne ein innerliches Glaubensbekenntnis vor sich!!!


Am 23.Juli 1222 starb seine Frau Konstanze.

 Nicht zu Unrecht erhoffte sich der Papst durch Friedrichs Ehe 1225 mit der Erbin des Königreiches Jerusalem Isabella von Brienne ein gesteigertes Interesse des Kaisers am "Heiligen Land", denn jenem sicherte diese Verbindung die Ansprüche auf die dortige Krone.

Friedrichs Versuche, auch die Kirche in Sizilien unter seine Kontrolle zu bringen, blieben weitgehend erfolglos. Auf massiven Widerstand, nicht nur aus der Kirche, stieß sein Vorhaben, auch das Recht der Besetzung der 150 Bistümer im Königreich an sich zu ziehen. Auch hatte Friedrich mehrere päpstliche Territorien zu Reichslehen erklärt und war mit sizilianischen Truppen in Oberitalien aktiv geworden. Die darauf folgenden Auseinandersetzungen wurden immer schärfer und fielen mit dem Streit über den Kreuzzug zusammen, der schließlich zur Exkommunikation Friedrichs führte.

 Sein Versprechen, an  einen Kreuzzug teilzunehmen, zog sich immer wieder hin. Nicht allein die Schwierigkeiten in Europa waren es, die den Kaiser weiter in Italien hielten. Er wartete auch auf eine günstige Gelegenheit im Orient. Hatte er doch gute Beziehungen dorthin, besonders zum Sultan Malik al Kamil von Ägypten. Und da die Aijubiden ebenfalls uneins waren, galt es eine Situation abzupassen, in der Friedrich dem Sultan von Nutzen sein konnte und ein Kreuzzug durch ein solches Bündnis um so größeren Erfolg versprach.

Erst 1227 segelte Friedrich von Brindisi ab. Doch bevor er das heilige Land erreichte, befiel ihn eine Krankheit, die ihn zur Umkehr zwang.
Papst Gregor IX. bannte den Kaiser daraufhin, weil er an eine vorgeschobene Erkrankung glaubte. Im Jahr 1228 starb auch seine zweite Frau Isabella.
1228 fand der Kreuzzug tatsächlich statt, nun jedoch gegen den Willen des Papstes, der den Bann nicht aufgehoben hatte. Der Zwist zwischen Kaiser und Papst spaltete das christliche Lager mit der Folge, dass ganze Gruppen des Kreuzfahrerheeres gegen den Kaiser intrigierten und alles darauf anlegten, um den Misserfolg des gebannten Kaisers herbeizuführen.

Seine militärische Lage war angesichts der Umstände im Kreuzfahrerheer und der wachsenden Stärke des islamischen Sultans Malik al-Kamil wahrhaft verzweifelt. Die Parteigänger des Papstes forderten den Sultan sogar ausdrücklich auf, Jerusalem keineswegs an den Kaiser herauszugeben. . Der Umstand, dass der Sultan Emir Fahr-ed-Din, der dem Kaiser in tiefer Bewunderung, ja persönlicher Freundschaft verbunden war, mit den Verhandlungen beauftragte, führte schließlich den Erfolg herbei. Ohne die im Vorfeld politisch und militärisch schwierig gewordene Lage des Sultans freilich wäre es trotzdem wohl kaum zu dem spektakulärsten Ergebnis eines Kreuzzugs überhaupt gekommen.  Mit kluger Diplomatie hatten die beiden Verhandlungsführer des Sultans und des Kaisers, Fahr-ed-Din und Thomas von Aquin, Graf von Acerra, auch er des Arabischen mächtig, den Frieden vorbereitet. Am 18. Febr. 1229 ist es erreicht: Der Sultan stimmte zu, dass die heiligen Stätten der Christenheit, Jerusalem, Bethlehem, Nazareth, dazu der Zugangsweg und wichtige Hafenstädte den Christen übergeben wurden. Lediglich in Jerusalem blieb der auch den Muslimen heilige Haram-esch-Scharif-Bezirk mit dem Felsendom und der Al-Aksa-Moschee vorbehalten, doch mit frommem Zutrittsrecht der Christen zum Gebet. Darüber hinaus wurde ein zehnjähriger Waffenstillstand vereinbart.

 Während der Verhandlungen lud ihn der Sultan nach Jerusalem ein. Als der Muezzin aus Rücksicht auf Friedrich II. seinen morgendlichen Ruf zum Gebet nicht erschallen ließ, stellte ihn der Kaiser mit den Worten zur Rede: Ich habe in Jerusalem übernachtet, um dem Gebetsruf der Moslems und ihrem Lob Gottes zu lauschen.

Sowohl auf christlicher als auch auf moslemischer Seite stieß das Abkommen auf breite Ablehnung. Der lateinische Patriarch Gerold verhängte das Interdikt (Verbot kirchlicher Handlungen) über ganz Jerusalem, für den Fall, dass Friedrich II. die Stadt betreten würde.

Davon ließ der Kaiser sich nicht abhalten und am 17. März 1229 betrat er die Stadt Jerusalem, wo er sich am nächsten Tag in der Grabeskirche selbst zum König von Jerusalem krönte, da der Patriarch sich weigerte, dies zu tun.


Was viele Kreuzfahrer mit Gewalt nicht schaffen konnten, was unzählige Menschenleben kostete, das erreichte Friedrich II. auf eine Weise ohne einen einzigen Schwertstich auf dem Verhandlungsweg. Den freien Zugang aller christlicher Pilger zu den heiligen Städten in Palästina.

Nach seiner Rückkehr aus Palästina bekämpfte er die päpstlichen Truppen, die in das sizilianische Regnum eingefallen waren, und sicherte sein Territorium vergleichsweise schnell wieder ab. Noch während der Kämpfe nahm Hermann von Salza Vermittlungsgespräche mit dem Papst auf, um die Lösung des Banns zu erreichen. Im zweiten Vertrag von San Germano vom Juli 1230 machte Friedrich dem Papst eine Reihe von Zugeständnissen, unter anderem die Freiheit kirchlicher Wahlen, die Wiedereinsetzung von kirchlichen Amtsträgern, die Friedrich gebannt hatte, die Unantastbarkeit von Klerikern durch die weltliche Rechtsprechung, die Steuerbefreiung der Kirche und einen Verzicht auf alle Ansprüche im Kirchenstaat. Dafür sagte Gregor IX. die Aufhebung des Banns zu, was er im Folgejahr auch ausführte.

 

In den nachfolgenden Jahren machte er das Königreich Sizilien in kurzer Zeit zum kulturellen und geistigen Mittelpunkt der abendländischen Welt. Er umgab sich mit einem muslimisch-arabischen Hofstaat, beteiligte sich selbst an wissenschaftlichen Forschungen, beschäftigte sich mit Philosophie und Dichtkunst und schrieb später ein beachtliches Buch über die Falkenjagd, das man noch heute als Handbuch für die Falknerei benutzen kann.

Schon vorher im Jahre 1224 gründete er die Universität in Neapel, die heutige Università Federico II, die die Aufgabe hatte, Beamte für den Staat auszubilden. Dadurch schuf er eine neuartige Beamtenhierarchie. Einwohner des Königreichs wurden verpflichtet, nur in Neapel zu studieren. 1226 erfolgte die Gründung der Universität für Apotheker  in Salerno, die zusätzlich die Aufsicht über das Medizin- und Arzneiwesen übernahm. So gab es für Sizilianer eine Pflicht, auch  hier statt im Ausland zu studieren.

 

1231 veröffentliche der Kaiser die "Konstitutionen von Melfi" den Versuch einer umfassenden Gesetzgebung, die alle Bereiche des menschlichen Zusammenlebens umfasste. Unter anderen enthielt die Gesetzessammlung erste Anordnungen des Umweltschutzes(!), Vorschriften über Studiengänge, Anordnungen für Ärzte und noch vieles mehr.

. Eine der bedeutendsten Errungenschaften, die bis in die heutige Zeit erhalten geblieben ist, gelang Friedrich II. mit der Einführung des Dezimalsystems, das Rechnen mit der Null. Bis dahin benutzte man ein umständliches Zahlensystem. Weitere Verdienste erwarb sich der Kaiser durch die Wiederentdeckung der Schriften der antiken Philosophen und Dichter, die Entwicklung und Einführung eines wirksamen Vermessungssystem und auf dem Gebiet der Medizin.

Aus Deutschland kamen Nachrichten, die ihn zum persönlichen Eingreifen zwangen. Außerdem erstarkten die seit Barbarossa nie ganz unterdrückten antistaufischen Kräfte in Italien.  1231 hatte sich Sohn König Heinrich VII. Statuten abpressen lassen. 1235 bis 1237 war er wieder in Deutschland, um die durch den Sohn in Unordnung geratenen Verhältnisse möglichst wieder zu richten und Gericht zu halten über seinen Sohn.

 Der Zug des Kaisers durch Deutschland erregte maßloses Aufsehen, hatte er doch erstmals seine (fast) ganze Menagerie über die Alpen bringen lassen: "er zog einher in großer Pracht, wie es der kaiserlichen Würde geziemt. Ihm folgten Wagen, beladen mit Gold und Silber, mit Byssusgeweben (kostbares Seiden- und Leinengewebe der Antike) und Purpur, mit Gemmen und kostbarem Gerät. Er kam mit vielen Kamelen und Dromedaren, mit Affen und Leoparden, er führte zahlreiche, vieler Künste kundige Sarazenen und Äthiopier mit sich, die sein Gold und seine Schätze bewachten...." (Ebersbacher Chronik, zitiert nach Horst, Seite 234). Die Verurteilung des Sohnes und Thronfolgers dürfte dem Kaiser nicht leicht gefallen sein; Heinrich VII. wurde zu lebenslanger Haft verurteilt und starb zwei Jahre später unter nie ganz geklärten Umständen. Der von Isabella von Brienne geborene Sohn Friedrichs II., Konrad, wurde zum Nachfolger gewählt.

Während des Aufenthalts in Deutschland heiratete Friedrich Il. die englische Prinzessin Isabella, Schwester des Königs Heinrich III. von England. Wieder waren politische Grunde ausschlaggebend.

Die Kämpfe mit den aufrührerischen Städten in Italien und die Auseinandersetzungen mit dem Papst verlangten seine Anwesenheit in Italien. Die Kämpfe eskalierten; Sieg und Niederlage wechselten einander ab. In bösen Wortgefechten bezichtigten sich Kaiser und Papst gegenseitig als Antichrist und Verderber der Christenheit. So sehr nahmen diese unerquicklichen und heute nicht mehr begreifbaren Streitereien den Kaiser in Anspruch, dass er, aber auch der um Hilfe gebetene Papst, außerstande war, den durch den Mongoleneinfall in arge Bedrängnis geratenen Deutschen und Polen zu Hilfe zu kommen. Vom Papst und dem eigenen Kaiser im Stich gelassen, nahmen die deutschen Fürsten unter dem 9jährigen König Konrad IV. die Sache selbst in die Hand und organisierten die Verteidigung. Zwar verloren sie mit den verbündeten Polen die Schlacht bei Liegnitz (1241), wandten aber, vom Glück begünstigt durch innerasiatische Ereignisse bei den Mongolen, die Bedrohung ab. Es ging also auch ohne Papst und Kaiser. Die psychologische Wirkung dieser Erkenntnis dürfte nicht leicht zu überschätzen sein. Die spätere Entwicklung in Deutschland zum territorialen Fürstenstaat nahm hier in der äußersten Not ihren praktischen Anfang.

Die Auseinandersetzung mit der Kurie erreichte ihren Höhepunkt mit der erneuten Bannung und Absetzung des Kaisers durch den Papst auf dem Konzil zu Lyon. Bettelmönche der Franziskaner zogen gegen den Kaiser predigend durch die Lande, eine Verschwörung gegen sein Leben wurde in letzter Minute aufgedeckt.

Auch die Städte in Oberitalien rebellierten gegen ihn, bei Parma erlitt der Kaiser die schlimmste Niederlage seines Lebens mit katastrophalen Folgen für sein Ansehen in Italien, aber auch in Deutschland. Mit äußerster Anstrengung gelang es Friedrich II., sich zu behaupten.

Auch der Verrat eines seiner engsten Vertrauten war ein harter Schlag, der bei einem  Giftanschlag seines Leibarztes seine Finger mit im Spiel haben sollte.

Im Sommer 1250 zog er in Richtung Lyon, wo der Papst residierte, um dort seine Interessen zu vertreten, die Aufhebung des Bannes. Aber unterwegs erkrankte er, er wurde ins Castel Fiorentino gebracht. Am Morgen, dem 13. Dezember 1250, zog man ihm die graue Kutte der Zisterzienser Mönche an, kurz nach dem Diktat seines Testamentes starb er.

 

Friedrich erweckte schon zu Lebzeiten das Staunen, wenn nicht gar Grauen seiner Zeitgenossen. Sie nannten ihn „Wunder und Wandler der Welt“. Der Papst verstieg sich sogar darin, dass er ihn als Antichrist bezeichnete. Der Papst hatte sich nicht täuschen lassen, schrieb er schon11 Jahre vor Friedrichs Tod an die Kardinäle, Friedrich sei „eine Bestie aus der Apokalypse“,  die, „um die Mauern des katholischen Glaubens zu zerbrechen“ längst „ heimlich die Sturmböcke gerüstet“ und jetzt offen ihre Kriegsmaschinen, „seelenvernichtende Kampfmittel der Ismaeliten“, womit die Muslime gemeint waren, aufgebaut habe, die gegen „Christus“ gerichtet sei.

 Die vermeintlichen Widersprüchlichkeiten in Friedrichs Handlungen gaben oft Anlass zu diesen Verleumdungen. Aber diese Widersprüchlichkeiten heben sich auf, wenn man ernsthafte Überlegungen anstellt, warum Friedrich den Muslimen immer zugewandt war, sie sogar hervorhob vor anderen. War er in seinem Inneren ebenso ein Muslim? Bisher sagten die Historiker von ihm, dass er weder Christ noch Atheist gewesen sei, sie meinten auch, dass er auf seinem Sterbebett durch das Anziehen des Mönchskleides seine Reue zum Christentum bekundete. Blickt man tiefer, so findet man die Erklärung seines Verhaltens. Tarik Erich Knapp geht davon aus: „ Sieht man nur genauer zu, dann zeigt sich dieser vermeintliche Beweis letztendlicher Christlichkeit des Kaisers als viel stärkerer Beweis seines Muslimtums. Denn mit dem grauen Gewand der Zisterzienser zog sich der Nichtmönch Friedrich lediglich die Robe der bekennenden Muwahiden –Sufis  an. Die Mönchskutte des sterbenden Kaisers war also zugleich sein letztes  wortloses Bekenntnis  zum Islam.

In seinem Sarkophag  sah man ihn nach einer Öffnung im Jahre 1781 i n arabische Seidengewänder gekleidet, bestickt mit den kaiserlichen Adlern, ein leinenes Untergewand, besetzt mit kufischen Lettern, die ihn ausdrücklich als Sultan huldigen. Neben ihm lagen die Krone und die Weltkugel, ohne das sonst übliche Kreuz.  Dieser Reichsapfel muss schon vor seinem Tod angefertigt worden sein. Seine engsten Bediensteten haben ihn so nach seiner Aufbahrung in sein Grab gelegt, wie er war, als Muslim.

 

Quellen

Eberhard Horst: Friedrich II. Der Staufer

Friedrich II. von Hohenstaufen und seine historische Wirkung von Oliver H. Herde

Friedrich II. (HRR) aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

tauhid-stiftung  Ustad Tarik T. Knapp

Der Morgenstern  2/1996

Der Einfluss des Islam auf das europäische Mittelalter


Der Einfluss des Islam auf das europäische Mittelalter

Ihr werdet feststellen, ohne den Islam gäbe es kein heutiges Europa

Wenn wir die Einflüsse beider Kulturen, die christliche und islamische, zueinander vergleichen, so stellen wir fest, dass das christliche europäische Denken erst ab dem 19. Jahrhundert Einfluss auf den Orient nahm, während  die islamische Zivilisation ihre tiefgreifende Wirkung auf die europäisch-christliche Kultur – auf deren langem Weg zur Entwicklung von Wissenschaft und Technologie – bereits ein Jahrtausend zuvor und über einige Jahrhunderte hindurch ausübte.

Ich behaupte sogar, dass fast alles, was das Leben uns erst lebenswert und schön macht, seine Grundlage durch den Islam und seiner Lebensweise erfahren hat, der es möglich machte zu großen wissenschaftlichen Erkenntnissen und Wissen. Und das macht mich, auch wenn ich nicht als Muslima geboren wurde ungeheuer stolz.

 

Betrachten wir erst einmal beide Kulturen.

1. Das christliche Europa

Das Hochmittelalter zwischen den Jahren 900 und 1300 ist die Blütezeit des Rittertums und des römisch-deutschen Kaiserreichs, des Lehnswesens und des Minnesangs. Man kann diese Ära auch als Zeitalter der Erstarkung Europas bezeichnen, denn die europäischen Staaten entwickeln seit etwa 900 immer mehr Macht. Aus kleinen Marktflecken entstehen Städte. Die Bevölkerung beginnt zu wachsen, Handwerk und Handel werden gefördert. Sprachgruppen mit ethnisch- kulturellem Hintergrund grenzen sich ab, es entwickeln sich Nationalitäten, Im Gebiet Deutschland blieb die Urkunden und Kirchensprache lateinisch, aber als Sprache des Alltags entwickelt sich die deutsche Sprache mit ihren verschiedenen Dialekten.. 936 wird Otto I deutscher König. 952 entsteht das römisch- deutsche Kaiserreich.

 Bildung und Wissenschaft

Im 9.-13.Jahrhundert konnten zwischen nur 3%  bis höchstens 5% der Menschen lesen und schreiben, sie war der Geistlichkeit vorbehalten, und diese nutzte sie für so wichtige Probleme wie den angeblich höheren Wassergehalt der Frau und deren daraus resultierende Minderwertigkeit. So konnte es auch passieren, dass im ganzen Kapitel  des Klosters St. Gallen um das Jahr 1291 kein einziger Mönch des Schreibens kundig war. Selbst die Herrscher beherrschten es nicht. Mit dem Rechnen war es nicht  weit her, mit den römischen Ziffern  zu umständlich.

Die Kirche sagte: „Es ist nach Jesus Christus nicht unsere Aufgabe neugierig zu sein noch zu forschen, nachdem das Evangelium verkündet ward.“  Neben dem alleinselig machenden Weg der Seele zu Gott war es ein lästerlicher Irrweg, Wahrheit zu suchen, über irdische Dinge nachzudenken. Schon vorher verschwinden im 6. Jahrhundert die hellenistischen Schulen, um 600 wird die große Palatinische Bibliothek in Rom verbrannt, die Lektüre der Klassiker und der Mathematik verboten. Fazit: Bildung ist nicht erwünscht.

Die Bibliothek der Pariser Sorbonne (gegründet 1268) hatte einen Gesamtbestand von 6 Büchern, ihre medizinische Fakultät gerade mal 1 - das von dem muslimischen Gelehrten Ar-Razi stammte.

 In Deutschland wurde die erste Uni erst 1386 in Heidelberg gegründet.

Selbst am Papier haperte es, während in Baghdad 794 die erste Papiermühle entstand, nahm erst 1389 in Nürnberg die erste derartige Einrichtung ihren Betrieb auf.

Fast nur in den Klöstern wurden Werke griechischer Denker und Naturwissenschaftler gelesen und auch teilweise ins Lateinische übersetzt. Die Medizin wurde durch Quacksalbereien und Besprechungen vertreten, allenfalls wurden Heilkräuter verwendet.

Lebenstandart Die größte Stadt in Deutschland war Köln mit 3 000 -4 000 Einwohnern. München, Frankfurt hatten nicht mal 1 000. Es gab keine richtige Wasserversorgung, Abwasser wurde einfach aus dem Haus auf die Straße geschüttet. Epidemien wechselten sich ab.

 

Islamische Länder

Jeder Muslim, besonders die zum Islam übergetreten sind, konnte lesen auch schreiben, wollten sie ja den Quran selbst  lesen. Ob Mann oder Frau wurde das Streben nach Weisheit fast als religiöse Pflicht auferlegt. Im Quran und in der Sunna wurden sie aufgefordert, nach Wissen  zu suchen. Der Mensch wurde angeregt, seine Umwelt zu beobachten und zu studieren, um die eindeutigen Zeichen der Schöpfung darin zu erkennen. Viele Verse aus dem Koran beschreiben Vorgänge aus der Natur, die von der Schöpfung des Universums bis hin zur Befruchtung der Eizelle durch das Spermium reichen.

Mit der Expansion nach Irak, Syrien, Ägypten waren dem arabischen Bereich große geistige Zentren zugefallen, etwas  später kamen die griechischen und indischen Zentren hinzu. Dort sammelten sich Jahrtausende alte Erfahrungen alter Zivilisationen, die jetzt im Arabischen einen neuen Ausdruck erfuhren.  Es begann eine Erstürmung der Bücher, die man dort fand, die auch sogleich übersetzt wurden. Es gab einen regelrechten Hunger auf Schriften, ja, Harun Ar-Raschid ließ sich sogar den Tribut in Form von Büchern auszahlen.

Zu Beginn waren die Muslime die Übermittler nahezu aller wichtiger Schriften in der mesopotamischen, ägyptischen, indischen persischen und hellenistischen Welt. Es werden regelrechte Übersetzerakademien gegründet. Die größte war die Bibliothek in Baghdad, dem Haus der Wissenschaft ( Bayt al-Hikma). Die Übersetzer  arbeiteten dort in Gruppen und wurden von einem Experten überwacht und von Abschreibern unterstützt. Werke wurden wenn möglich von anderen Abschriften und Originalen  auf Genauigkeit kontrolliert.

Trotz der engen Verbindung der Schriften mit älteren Traditionen, anderen Ländern, in denen das griechische Wissen vorherrschte, betonen Historiker mit Recht die Originalität der wissenschaftlichen Unternehmungen, die in Baghdad durchgeführt wurden. Zum ersten Mal in der Geschichte wurde die Wissenschaft in internationalen Rahmen betrieben, und das Arabische war ihr verbindliches Ausdrucksmittel.

Einer der ersten in Baghdad war  Yakub ibn Ishaq al-Kindi,(801-873), Philosoph, Mathematiker und Arzt, er kümmerte sich besonders um die Übersetzungen von Aristoteles, Platon und auch Sokrates. E meinte: „Wir sollten uns nicht schämen, Wahrheit anzuerkennen und sie aufzunehmen, von welcher Quelle sie auch kommt, auch wenn sie von früheren Generationen und fremden Völkern zu uns gebracht wird.

  Bücher zu besitzen wurde zu einer Leidenschaft. Jede Moschee besitzt seine eigene Bücherei, jedes Hospital empfängt den Besucher in der Haupthalle mit breiten Bücherregalen und kauft alle medizinischen Neuerwerbungen auf. Selbst Privatleute besitzen Tausende an Büchern und sie werden nicht nur einfach gelesen.

Um die religiösen Pflichten  richtig durchführen zu können, werden die Muslime gezwungen, sich wissenschaftlich zu rüsten. : die Bewegungen der Sterne müssen berechnet werden, um sich auf der Reise zu orientieren, die Zeit und der Ort müssen genau bestimmt werden, sie bauen Bewässerungsanlagen, Krankenhäuser, um in den Großstädten Seuchen zu verhindern, neue und bessere Heilmittel werden ausprobiert. Sie nehmen das Wissen der alten Griechen, der Perser, der Ägypter, der Inder und bauen darauf auf, erweitern es und erfinden Neues.

 

drei Brücken nach Europa

Der kulturelle Einfluss des Islam auf Europa war hauptsächlich  eine Folge der Besetzung Spaniens und Siziliens durch Muslime, aber auch durch die Kreuzritter selbst, die die islamische Kultur kennenlernten und sich zunutze machten.

1. Spanien

Die Eroberung Spaniens begann im Jahr 711 n.Ch. mit einem Erkundungstrupp und markierte einen Wendepunkt in der Weltgeschichte. Das Reich der Westgoten in Spanien war bereits innerlich verfault und brach rasch zusammen. Die Araber bauten nahezu sehr schnell fast auf der gesamten Halbinsel ihre Macht aus. Das schnelle Tempo kann nur damit erklärt werden, dass die einheimische Bevölkerung, darunter auch die jüdische,  die Eroberer begrüßten, als sie merkten, dass sie von diesen besser behandelt wurden als unter den christlichen Feudalherren. Die islamische Lebensweise fasste schnell Fuß.

Macht und Wohlstand des islamischen Spanien erreichten ihren allgemein anerkannten Höhepunkt in der Regierungszeit ‚Abd ar-Rahmans III. (912-961), Kunst und Kultur blühten auf. Auch von den mittlerweise entstandenen christlichen Kleinstaaten im Norden der Iberischen Halbinsel wurde er und seine Nachfolger als Lehnsherr anerkannt. Das umajjadische Spanien erkannte zwar die Abbasiden - Khalifen in Baghdad nicht an, aber es blieb in kultureller Tuchfühlung. Wichtige Bücher fanden ihren Weg aus dem Osten in den Westen und auch die Gelehrten in Spanien leisteten bedeutende Beiträge zur arabischen Literatur und Bildung. Um das Jahr 1000 zerfiel aber der Umajjaden- Staat in rund 30 unabhängige lokale Fürstentümer. Trotzdem erlebten Kunst und Wissenschaft infolge der Rivalitäten der einzelnen Herrscher eine Hochblüte. Gelehrte aller Bekenntnisse wirkten zusammen und bauten an der arabischen Wissenschaft mit. Riesige öffentliche und auch private Büchereien gab es, jedes Kind konnte in eine Schule gehen und lernen.

Die Universitäten und Wissenschaftszentren wirkten dabei wie ein Magnet auch für europäische Studenten, die mit den arabisch-islamischen Wissenschaften Bekanntschaft schlossen und das Wissen mit nach Europa nahmen.

Mit dem Sturz des Königreiches Granada 1492 verlor der Islam sein letztes Bollwerk auf europäischem Boden. Aber seine Kultur und Wissenschaft haben schon längst zu dieser Zeit in Europa Fuß gefasst. 

2. Sizilien

Abgesehen von vorher gehenden kleineren Überfällen auf die Insel, wurde Sizilien durch die Aghlabiden, aus Tunesien kommend, im Laufe des  9. Jahrhunderts erobert. Bald wurde die Insel eine Fatimiden- Provinz.. Unter den Kalbiten –Statthaltern blühte das Land auf und die islamische Kultur schlug tiefe Wurzeln. In der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts besiegten die Normannen die Byzantiner in Süditalien und errichteten ein normannisches Fürstentum. Kurz darauf konnten sie auch in Sizilien ihr Königreich errichten, aber in vielem blieb die Insel ein Teil der islamischen Welt. Die islamische Kunst und Wissenschaft wurde sogar durch die Normannen gefördert, insbesondere durch den Kaiser Friedrich II., der selbst wissenschaftlich tätig war und arabische Schriften übersetzen ließ und Umgang mit arabischen Wissenschaftlern pflegte..

3. durch Kreuzzüge

Die Bedeutung der Kreuzfahrerzeit für den Westen ist nicht zu unterschätzen. Wurden doch die eher rohen und „barbarischen“ europäischen Ritter mit einer Lebensweise konfrontiert, die sich sehr von der ihnen gewohnten abhob. Ein gewisser höfischer Luxus und „feinere“ Umgangsformen kamen aus dem Orient in den Westen. Auch die Kriegskunst erhielt neue Impulse. So profitierten in gewissem Maße selbst die eigentlich Unterlegenen (die Christen) von diesem Abenteuer.

 

Das christliche Europa macht Bekanntschaft mit der islamischen Kultur und dem Handel mit dem Orient

In unserem Sprachgebrauch gibt es viele Wörter, denen man es nicht ansieht, dass ihr Ursprung arabisch ist. Möchten Sie einen Cafe trinken, dazu Zucker, oder lieber aus einer Karaffe Limonade? Alkohol gibt es bei uns nicht. Möchten Sie dazu Aprikosen, oder lieber Orangen? Kittel, Jacke,  Mütze, Matratze, Koffer, das alles hat einen arabischen Ursprung, abgesehen von den meisten Gewürzen oder Arzneien.

Die uralten Handelsstraßen aus der Antike blühten auch noch im frühen Mittelalter, Gewürze aus Indien, Arabien, für die Kirchen und Klöster der Weihrauch.

Aber mit dem Erstarken der islamischen Länder verbot der Papst in Rom diesen Handel. Kein Zucker, kein Pfeffer, kein Weihrauch in deutschen Landen! Erst im 10.Jahrhundert bricht Venedig diese Blockade. Kein kaiserliches oder päpstliches Machtwort kann 991 den Dogen von Venedig mehr bremsen, er nimmt den Schiffsverkehr mit den arabischen Mittelmeerländern wieder auf. Und auch bald sind die Handelswege bis nach Frankreich wieder offen. Und mit den arabischen Spezereien wächst der Reichtum. Der Wohlstand im Abendland wächst gleichsam aus den arabischen Pfeffersäcken heraus.  Mit ihnen wächst der Komfort und Luxus und das Geld bekommt seine immense Macht und Bedeutung.

Durch den Orienthandel werden jetzt neue Waren bis in die letzte Ecke von Europa gebracht: Baumwolle aus Syrien, aus dem  arabischen Sizilien, Ägypten. Nach arabischem Muster werden sie in neuen Gewerben und Handwerken zu Kitteln,  Jacken, Joppen verarbeitet. Mit Baumwolle, Seide und den daraus gemachten Stoffen werden einfache Handwerker zur mächtigsten Finanzmacht des Mittelalters: die bekanntesten die Fugger.

Arabische Namen finden Eingang

In den vom Islam beherrschten Spanien ist die arabische Lebensart vorherrschend,  es gibt überall Bäder, viele Bibliotheken sind entstanden, am öffentlichen Leben nehmen neben Araber auch die Juden und Christen teil.  Sie übernehmen die arabische Sprache, geben ihren Kinder arabische Namen. Kleidung und Sitte  wird arabisch. Sie identifizierten sich, außer in religiösen Dingen so stark mit der islamischen Kultur, dass man sie Mozaraber nannte. Der Bischof Alvar  beklagte 854, dass die jungen Christen so verzaubert seinen von der arabischen Dichtung, dass sie kein Latein mehr lernten, sondern nur noch Arabisch. Diese herrschende Kultur war islamisch geprägt, mit iberischen Elementen verschmolzen. Eines der wenigen Beispiele dafür ist die Übernahme des westgotischen Hufeisenbogens durch die Araber selbst.

Von der Anziehungskraft der arabischen Kultur auf die Christen zeugt auch das Leben am sizilianischen Königshof. Man pflegte arabische Dichtung, und auf dem Weg über die Volkspoesie, die aus ihr entstanden ist, mag sie die frühitalienische Dichtung beeinflusst haben. Diese Verfeinerung des Lebensstils breitete sich von Spanien und Sizilien allmählich nach Norden aus. Aber darauf komme ich noch zu sprechen.

Vieles an dieser Kultur erregte die Bewunderung und den Nachahmungstrieb der Königreiche im Norden. Zwei Faktoren beschleunigte die Ausbreitung der südspanischen islamischen Kultur.

Erstens: Christen aus dem islamischen Süden wurden ermutigt, in die unbewohnten Gebiete der Grenzmark um zu siedeln, die nach und nach christliche Gebiete wurden.

Zweitens gerieten mit der allmählichen Verlagerung der Grenzen ganze muslimische Bevölkerungsteile in christliche Herrschaft, beide Kulturen bereicherten sich gegenseitig.

In den Jahrhunderten später vergaß man aber immer mehr, dass ein bedeutender Teil dieser Kultur islamisch war. Er hat sich unbewusst bis in die heutige Zeit gehalten.

 

Jetzt komme ich auf die arabischen Leistungen in Naturwissenschaft und Kultur und deren Ausstrahlung zu sprechen

Ich möchte als erstes den Begriff islamische Wissenschaft nach meiner Sichtweite erklären:

Islamische Wissenschaft bedeutet, dass für sie vor allem in arabischer Sprache und im Kontext der islamischen Zivilisation geforscht wurde. Dabei waren Wissenschaftler unterschiedlicher Religionen und ethnischer Zugehörigkeit beteiligt, es waren Christen Juden und auch Sabier wie Thabit ibn Qurra dabei. Sie war islamisch, weil sie den neuen und wachsenden Bedürfnissen der islamischen Zivilisation verpflichtet war. Man beschäftigte sich bei den Forschungen ausschließlich in arabischer Sprache, die jedoch nicht unbedingt auch die Muttersprache der Wissenschaftler war.

Über fünf Jahrhunderte hindurch – genauer gesagt vom 8. bis zum 13. Jahrhundert – war die Geschichte der Weltzivilisation die Geschichte des Islam.  In dieser  entscheidenden Zeitperiode befähigte das Zusammentreffen mit der islamischen Zivilisation Europa dazu, seine Fähigkeiten in allen wissenschaftlichen Bereichen, speziell in Philosophie, Medizin, Astronomie, Chemie, Mathematik und angewandte Mechanik zu entwickeln. Eine große Errungenschaft der muslimischen Gelehrten im Mittelalter war es, die Schätze der antiken griechischen Philosophie und Wissenschaft für die Nachwelt zu bewahren.

Mathematik  im Allgemeinen nimmt man an, dass die Zahlen 1-9 und später auch die 0 aus Indien kamen. Ein 2006 erschienenes Buch von Latfi Mahmud Abd al-Haliim mit dem Titel „Ursprung der arabischen Ziffern“ beweist, dass arabische Händler, die Ziffern nach Indien gebracht haben,  auch die Null, in Arabisch Zifr, wurde erst von den Araber genutzt. Das Wort Zifr auf Arabisch bedeutet „Nichts habend“-  Nun, ich denke, die Forschungen werden weitergehen.

Jedenfalls erst durch Muhammad ibn Mussa al-Chwarismis Schriften werden sie im islamischen  Land bekannt und übernommen. Das war eines der größten Errungenschaften und alle anderen neuen Wissenschaften nutzten sie. Über den Hof des Kaisers Friedrich II. kam diese neue Rechenart nach Europa.

 Abu Abdullah Muhammad ibn Musa Al-Khawarizmi, (Algorizm) ist 780 in Khwarazm (im heutigen Uzbekistan) geboren. In Baghdad war er einer der bedeutendsten Wissenschaftler am "Haus der Weisheit", das unter dem Khalifen Harun ar-Rashid entstand und später unter dem Khalifen al-Ma’mun zum Studien- und Forschungsmittelpunkt der islamischen Welt wurde. Er starb im Jahre 840.

Er beschrieb Verfahren zur schrittweisen Lösung mathematischer Probleme und deshalb wurde der Algorithmus nach seinem Nachnamen benannt. Und Algebra wurde nach dem Titel seines Meisterwerkes "Hisab Al-Jabr wal Muqabalah" benannt. Wobei Al-Jabr das arabische Wort für ergänzen ist.

Al-Khawarizmi erfand das Rechnen mit Dezimalzahlen. Er beschrieb das Dividieren, erstellte Tabellen mit der Sinus-Funktion. Er erfand die Formeln für die Berechnung der Fläche des Kreises, des Halbkreises, der Kugel, der Pyramide und des Kegels; Er berechnete die Konstante Pi (  = 3 1/7 ).

Andere berühmte Mathematiker waren Al-Battani, Al-Biruni,  ibn al-Haitham, Thabit Ibn Qurra. Dieser ist der Begründer der Differential- und Integralrechnung. Er legte damit den Grundstein für die weiteren Arbeiten daran für den Engländer Isaac Newton und den Deutschen Gottfried Wilhelm Freiherr von Leibniz. Auch Kopernikus hat von ihm abgeschrieben, er übernahm die Maße des vollständigen Umlaufes der Erde um die Sonne mit 365 tagen, 6 Stunden, 9 Minuten und 9,54 Sekunden, eine Höchstleistung für eine so genaue Rechnung von Thabit ibn Qurra! Sein Buch über die Mechanik wurde von Gerhard von Cremosa im 12. Jh. Übersetzt und diente im Mittelalter als Lehrbuch.

Die arabischen Hochschulen in Cordoba, Sevilla, Granada, Valencia und Toledo wurden von vielen christlichen Gelehrten besucht. Große christliche Denker dieser Zeit, wie Albertus Magnus, der Mönch Gerhard von Cremosa, Thomas von Aquin, , Gerbert von Aurillac, der spätere Papst Silvester II., um nur einige zu nennen, entwickelten ihre intellektuellen Fertigkeiten und ihre Argumentationskunst in diesen Bildungszentren.

Gerbert: In Begleitung des Markgrafen um 970 kommt er in Cordoba mit der arabischen Wissenschaft in Berührung, er studiert dort eifrig Mathematik und Sternenkunde, kommt dann nach Rom und wird später Ratgeber am kaiserlichen Hof und dann als Silvester II. Papst. Gerbert rechnet als erster mit den Zahlen 1-9 , vorerst aber auf dem Rechenbrett Abacus. Die Arbeit mit der Null konnte er noch nicht gekannt haben.

Die endgültige Einführung der arabischen Zahlenzeichen ist wahrscheinlich dem Pisaner Fibonacci im 12. Jahrhundert zu verdanken, in dem er die Vereinfachung und Erweiterung von Rechenvorgängen mit den 10 Zahlen demonstriert. Es dauerte dann nicht mehr lange, bis sie überall Eingang fanden, selbst als Wort: auf arabisch bedeutet sifr Null, das deutsche Wort Ziffer ist davon abgeleitet.

 

Astronomie  Sura 6, Vers 96/97  Sura Al-An’am

„Er ist es, Der die Morgendämmerung aufbrechen lässt, und Er macht die Nacht zum Ausruhen und die Sonne und den Mond zur Berechnung (der Zeit). Dies alles ist die Planung des Allmächtigen, Allwissenden. 96). Und Er ist es, Der die Sterne für euch gemacht hat, damit ihr den Weg in der Finsternis zu Lande und auf dem Meer findet. So legen Wir die Zeichen dar für ein Volk, das zu erkennen vermag.“ 97)

Während das christliche Europa noch das geozentrische Weltbild vertrat, welches die Erde als Weltmittelpunkt darstellt, wussten die Muslime aufgrund der Aussage im Koran, dass jeder Planet seine Laufbahn hat. Durch Beobachtung und exakte Forschung wurde die islamische Himmelskunde für Jahrhunderte zur führenden Astronomie der Welt. Die Muslime entwickelten die verschiedensten und zudem genauesten Beobachtungs- und Messgeräte und Sternenkarten. Zu den berühmtesten Astronomen seiner Zeit gehörte Mohammad Ibn Jabir Al-Battani genannt Albatenius, (877-918). Er widerlegte das ptolemäische Dogma des Heliozentrismus, lange vor Kopernikus. Er berechnete die Planetenbahnen sehr genau . Sein größter Verdienst ist sein Werk über die sphärische Trigonometrie, in der er als erster statt der Sehen den Sinus gebrauchte.

     Schon 500 Jahre vor Kopernikus hatte der Araber Al-Biruni erfasst: nicht die Sonne war für den Wechsel von Tag und Nacht verantwortlich, sondern die Erde selbst, die sich um die eigene Achse dreht und mit den Planeten die Sonne umwandert. Abu Raihan Mohammed Ibn Achmed al Biruni 973-1048 war ein  Universalwissenschaftler, war Astronom, Naturwissenschaftler und Historiker  am Hofe von Mahmud dem Großen von Ghazna. Er war der erste Wissenschaftler, der mit bescheidenen Mitteln 1023 einen fast genauen Erdglobus entwickelte, den Durchmesser und damit den Erdumfang der Erdkugel nicht am Äquator, sondern an einem Ausgangspunkt am Indus fast genau (ca.17,7 „Farsang“, 1 „Farsang“ = 6240 m) errechnete und die Erdrotation feststellte.  Mit Hilfe des Pyknometers, den er als erster konstruierte, bestimmte er die Dichte (spezifische Gewicht) von Flüssigkeiten und festen Körpern.  Seine Forschungen stützte al-Biruni auf das Experiment, damals eine Kühnheit ohnegleichen. (Sein Buch über Indien gibt die Vielfältigkeit der indischen Kultur, Gesellschaft und Sprache wieder, sowie die Vielfalt der Heilpflanzen. Auch schrieb er eine Chronologie über den Vergleich der Zeitrechnung von verschiedenen Völkern . Deshalb kann man auch sagen, dass er der erste Vertreter einer objektiven, vergleichenden Religionswissenschaft ist. Mehr als hundert Schriften verfasste er zur Geographie, Geschichte, Astronomie, Mathematik und Pharmazie. Manche der heutigen Wissenschaftler zählen ihn zu den Vätern der Apotheken.) Im Westen wurde al-Biruni erst ab der Mitte des 19. Jahrhunderts bekannt, als vor allem Alexander von Humboldt auf den arabischen Gelehrten hinwies. Aber seine Werke wie von vielen anderen später unbekannten Naturwissenschaftlern waren in vielen Abschriften im lateinischen Europa auch ohne seinen Namen  schon vorher bekannt.

 

Es gab keine wissenschaftlichen Bereiche, in denen die Menschen unter islamischer Herrschaft nicht vordrangen.

   Jabir ibn Haiyyan (Geber)  ist bekannt geworden als Vater der Chemie, er lebte in Kufa und starb 803 n. Chr. Er experimentierte mit verschiedenen chemischen Verfahren, die in meinen Ohren sehr modern klingen: z. B. die Entwicklung von Rostschutzmitteln, Beschriftung von Gold und Leder, Verwendung von Magnesiumdioxyd bei der Glasherstellung, wasserfeste Lackierung von Kleidung. Viele seiner Ausdrücke sind in allen wichtigen Sprachen verbreitet.

   Al-Hasan Ibn al-Haitam (965- 1040, latein. Alhazen) forschte in der Physik und Optik. Er entdeckte die Gesetze der Lichtbrechung und untersuchte die Spektralfarben des Lichts, entwickelte physikalische Theorien zu Schatten, dem Regenbogen. Auf seinem Werk Opticea thesaurus gründet alle Optik. Er experimentierte mit einer Art Lochkamera, dem Urmodell der Photographie. Fälschlicherweise gilt Leonardo da Vinci als Erfinder der Lochkamera, der Pumpe, der ersten Flugmaschine und der Drehbank. Seine Konstruktionen sind jedoch nachweislich vom Werk al-Hassans abhängig, der etwa fünf Jahrhunderte vor Leonardo da Vinci gelebt hat. Noch heute heißt eine komplizierte physikalisch-mathematische Aufgabe, die al-Hassan durch eine Gleichung vierten Grades löste (in einem sphärischen Spiegel einen Punkt berechnen) Alhazensches Problem.

Medizin Unserer Prophet Mohammad sallaLalahu alaihi wassalam hat gesagt: „Allah hat keine Krankheit herabkommen lassen, ohne dass Er für sie zugleich ein Heilmittel herabkommen ließ." (al-Buchari) Auf der Grundlage dieses Hadith' wussten die Muslime, dass es für jede Krankheit auch Heilung gab, die man nur zu finden brauchte. Infolgedessen erlebte die Medizin unter dem Islam einen unbeschreiblichen Auftrieb. Neben der hohen Medizinerzahl, vor allem zur Zeit der Abbasiden, hatte die medizinische Versorgung einen Standard, welcher mit heutigen Verhältnissen vergleichbar wäre. Die Entdeckungen auf dem Gebiet der Medizin lieferten der westlichen Medizinforschung die gesamten Grundlagen, mehr noch, ohne die islamische Medizin ist die westliche gar nicht denkbar. Der Mediziner Abu Bakr ar-Razi, Leiter eines Bagdader Krankenhauses, forschte neben seiner chirurgischen Arbeit auf dem Gebiet der Masern und Pocken. Er erstellte die ersten Krankheitsbilder wie Blinddarmentzündung, Durchfall, Krampfanfälle, Alkohol wurde von ihm als Reinigung der Wunde eingeführt, das Opium in der Anästhesie. Seine Schrift galt bis ins 18. Jahrhundert in Europa als eine der hervorragendsten Arbeiten in diesem Bereich.

Das grundlegendste Werk, der  Al-Qanûn (canon medicinae),des bekanntesten medizinischen Gelehrten, Abu Ali al-Husein ibn Sîna  (Avicenna 980-1037 , auch ein Universalwissenschaftler, auch bekannt in der Philosophie, wurde in allen wichtigen europäischen medizinischen Fakultäten über sechs Jahrhunderte hindurch gelehrt. Es besteht aus 5 Büchern über die gesamte Medizin. (AlQuanun= 5 Bücher: 1. Allgemeine Prinzipien (Theorie der Medizin), 2. Alphabetische Auflistung von medikamenten und ihrer Wirkung, 3. Krankheiten, die nur spezifische Organe betreffen (Pathologie und Therapie), 4. Krankheiten, die sich im ganzen Körper ausbreiten (Chirurgie und Allgemeinkrankheiten), Produktion von Heilmitteln.

 Die „große europäische Bibliothek“ in Toledo – wo 1130 eine Übersetzungsschule gegründet wurde – zog Studenten und Wissenschaftler aus ganz Europa an. Die arabisch-islamische Medizin hatte einen enormen Einfluss auf die Entwicklung der Heilkunst in Europa. Die ersten Professoren für Medizin in den neu errichteten europäischen Universitäten im 12. Jahrhundert waren allesamt frühere Studenten arabischer Gelehrter. Aber erst 1587 errichtete König Heinrich III. von Frankreich einen Lehrstuhl für die arabische Sprache am Collège Royal, um die medizinische Forschung in Frankreich voran zu bringen.

 Der Al-Qanun, der Kanon der Medizin, löste in Europa die Klostermedizin durch wissenschaftliche Verfahren ab und zählte im Orient wie in Europa zu den bedeutendsten medizinischen Lehrbüchern. Es wurde zur Grundlage der wissenschaftlichen Heilkunst und stand und steht auch heute noch gleichrangig neben den Schriften des Hippokrates (460-370 vor Chr.) Die erste lateinische Übersetzung erschien im 12.Jh. durch Cremosa. Und es ist das 2. in arabischer Sprache gedrucktes Buch 1593!

Nautische Techniken Durch Handel wird ein großer Anteil einer Kultur verbreitet. Der Schiffsverkehr spielte hier dabei eine große Rolle. Und auch hier lernte zumindest der christliche Mittelmeerraum die Takelage, das Lateinersegel kennen, um gegen den Wind zu kreuzen. Der Kompass ist sicher im Grundprinzip arabisch, die Europäer haben ihn nur vervollständigt. Seekarten wurden von den Genuesen auf der Grundlage islamischer Kartografie entwickelt. Auch ins Sprachgebrauch kamen Wörter wie Admiral, Kabel Schaluppe, Barke...

Unter der Schirmherrschaft der Normannenkönige im 12. Jahrhundert verfasste der arabische Gelehrte Abu Abdullah Muhammad bin Abd Allah bin Idris Al-Idrisi (1100-1166 genannt Dreses) eine vollständige Beschreibung der Erde nach dem arabischen Stand der Kenntnisse. Er hatte persönlich große Reisen unternommen und legte eine Sammlung von 70 Landkarten mit Beschreibungen an. Nur mit diesem Erkenntnisstand konnten sich Schiffe außerhalb der Küstensichtweite begeben.

Seine Teilkarten für eine 1134 gefertigte Silbererdkugel, die später zerstört wurde, blieben erhalten und man konnte die Originalkarte wieder herstellen. Die damals bekannte Welt teilte er in 7 Klimazonen auf.

Philosophie Abul-Waleed Muhammad ibn Ruschd (Averroes),  geboren 1126 in Cordoba(Spanien), als Sohn einer angesehenen Juristenfamilie, studierte islamisches Recht, Medizin, Mathematik, Theologie, Astronomie und Philosophie, arbeitete zunächst als Leibarzt am almohadischen Hof. Im Jahre 1169 erhielt er die Berufung zum Richter in Sevilla. Im gleichen Jahr kam er durch die Vermittlung ibn Tufails, eines befreundeten Philosophen, in direktem Kontakt mit dem damaligen Herrscher, der an ibn Ruschd die Bitte richtete, ausführliche und verständliche Erklärungen des Werkes von Aristoteles anzufertigen. Ibn Ruschd verfasste umfangreiche Abhandlungen und Kommentare zu medizinischen, juristischen, theologischen und astronomischen Fragen, seine Lebensaufgabe wurde aber die Exegese (große Kommentare mit detaillierten Erklärungen) von Aristoteles Philosophie.

Ein großes Anliegen von ihm war, zu beweisen, dass die Philosophie mit der Religion vereinbar ist. Die grundsätzlichen Ziele von Religion und Philosophie sowie die Interpretationsmethoden von Philosophie und Theologie waren seiner Meinung nach identisch. Der dialektisch theologischer Averroismus beeinflusste nicht nur islamisches Denken, sondern auch die Entwicklung der europäischen Zivilisation. Unbestritten ist sein Einfluss z.B. auf Thomas von Aquin und Albertus Magnus.

Papier – (genau so wichtig wie die Wissenschaften selbst)

Durch den Sieg über die Chinesen in der Schlacht bei Samarkand im Jahre 751 erwarben die Araber von Kriegsgefangenen, die sich mit Hilfe eines Gewerbes loskaufen konnten, die Kenntnis der Papierherstellung, diese bauten auch die ersten Papiermühlen und der billige Beschreibstoff, der eine viel höhere Schreibgeschwindigkeit erlaubte, wurde zu einem wichtigen Kulturfaktor. Der herrschende Khalifa ordnete an, dass in den Kanzleien nur noch auf diesem neuen Papier geschrieben werden darf. So entstand  794 die erste Papiermühle in Baghdad und bald darauf in allen islamischen Ländern. Über Sizilien und Andalusien lernt schließlich das Abendland das Papier kennen. Das erste uns bekannte Schriftstück aus Papier ist eine Urkunde aus Sizilien vom Jahr 1090.

Noch im 12. Jahrhundert haben Pilger bei ihrer Rückkehr vom Grab des Apostels Jakobus in Santiago de Compostela in Spanien die ersten Blättchen Papier mitgebracht.. Sie bringen die Kunde mit: jeder, ob Kind oder Mann lernt auf diesem Papier schreiben. Sie nehmen es sogar zum Einwickeln, so viel gibt es davon! Aber erst im Jahr 1340 wird die sicher bezeugte erste Papiermühle bei Nürnberg in Deutschland gebaut. Und erst die Papierherstellung macht die Erfindung des Buchdruckes sinnvoll.

Papier  schließt ein neues Zeitalter auf. Die Wissenschaft hört auf, Vorrecht einer bestimmten Kaste, der Mönche, im Abendland zu sein.

 

 

Kultur und Kunst

Nichts hat das gesellschaftliche Leben in Europa so stark geprägt wie sie. Mit der Rückkehr der Kreuzritter aus dem Orient entsteht ein neues Zeitalter: das Hochmittelalter mit ihrem Minnesang, den Troubadouren, der Ritterlichkeit, der Frauenverehrung in Lied und Lyrik. Durch fahrende Sänger aus Andalusien wird im 11. Jahrhundert das Abendland mit der arabischen Musik bekannt, eine sich über rhythmische Einheiten zum Takt hin entwickelnde Musik und sie übernehmen die arabeskenhafte Verzierungen der Melodie, die die Troubadoure ihren Frauen auf den neuen Instrumenten aus Arabien, der Laute und  Gitarre vorspielen und singen. Selbst die Tonsilben, die Notenlinien  und die Reimform haben ihren Ursprung im Arabischen. In Italien findet sich die arabische Liedform in geistlichen Liedern wieder, z.B. die Lieder des Franz von Assisi. Es entwickelt sich daraus das weltliche Madrigal.

In der Architektur findet die Arabeske Eingang. Der Spitzbogen, in der Ibn-Tulun-Moschee in Kairo dekorativ verwendet, wird nach seiner Wanderung über Spanien und Sizilien ins Abendland zum konstruktiven Element der entstehenden Gotik. Das Mauerwerk und seine Konstruktion werden  in der neuen Kirchenbauweise durch kunstvoll  durchbrochene Gipsbehänge und Stalaktiten verkleidet, die Wandfläche durch Blendarkaden aufgelöst, genau wie der Spitzbogen nach persischem Vorbild. Das Minarett wird Vorbild für den christlichen Glockenturm.

Die heimkehrenden Kreuzritter übernehmen für ihre Burgen wehrtechnische Errungenschaften der Araber, z. B der Wehrerker, der gebogene Eingang, der die Stoßkraft der Eindringlinge hemmt,  eine Art Balkon mit offenen Bodenspalten, durch die heißes Öl gegossen werden kann, diese „Pechnase“ wird sehr schnell nachgebaut. Seit dem 14. Jahrhundert trägt jede Burg in Europa über den gemauerten Wehrgängen eine Krone von Zinnen.

Ende der islamischen Kultur in Südeuropa

1492 fand nicht nur die arabische Herrschaft über Spanien ein Ende, es endete die großartigste  und lebendigste Kultur im Mittelalter, es endete die fortschrittlichste Zivilisation eines vorbildlich verwalteten Landes, der Wohlstand seiner Bevölkerung mit seiner geistigen und gesellschaftlichen Blüte. Es versank in den Wogen des religiösen Fanatismus. Alles was Arabisch war, ob Sprache, das Spielen der arabischen Instrumente, selbst das Tragen der Namen wurde bestraft. Die Schätze der arabischen Wissenschaft und Kultur  aus Bibliotheken, aus Privateigentum brannte auf riesigen Scheiterhaufen. Durch Massenaustreibungen war bald das einst blühende Andalusien entvölkert.

Schon vorher geschah das alles in Süditalien und Sizilien. Die Schriften, die gerettet wurden, verschwanden hinter  kirchlichen Mauern und mit der Zeit vergessen, und bei denen, die ins Lateinische übersetzt wurden, wurden die Verfasser nicht mehr genannt oder erhielten einen fremden irreführenden Namen. Erst viele Jahrhunderte später und noch heute entdeckt man ihren Ursprung.

Die Ausformung des europäischen geistigen Lebens im Mittelalter war ganz wesentlich das Resultat der blühenden islamischen Zivilisation. Erst nach und nach erkennen die heutigen Wissenschaftler die Ausstrahlung der arabischen Kultur auf Europa und sie sehen die Errungenschaften ihrer Wissenschaft als deren Erbe an und begreifen so langsam die damalige Größe des Islam.

Zitat aus Sigrid Hunkes  Buch: „Allah über dem Abendland“: In dem Augenblick erst, als trotz Verbots und offizieller Feindschaft das Abendland sich dem arabischen Orient und Orienthandel öffnete, begann sein wirtschaftlicher Aufschwung. Indem es sich seine allgemeinkulturellen Errungenschaften technischer, hygienischer, sanitärer und staatlich-organisatorischer Art zu eigen machte, ja nach und nach sein geistiges Erbe übernahm, erwachte der abendländische Geist...und begann endlich selbst die Schwingen zu regen zu einem Aufstieg ohnegleichen. Indem es auf allen Lebensgebieten , auch dem der Kunst, unzählige kleine, aber wichtige Impulse auffing, wurde sein Dasein reicher, schöner, gesünder, glücklicher.“

Und somit bin ich wieder bei meiner anfänglichen Behauptung: der Islam hat erst unser heutiges Europa geprägt und wir sollten stolz darauf sein, dem Islam anzugehören, Erben einer so wunderbaren geistig-wissenschaftlich geprägten Kultur zu sein.

 

Quellen:

- Sigrid Hunke: Allahs Sonne über dem Abendland

- W. Montgomery Watt: Der Einfluss des Islam auf das europäische Mittelalter

- Vom Verfasser autorisierte Übersetzung aus dem englischen Original. Die englische              Originalversion wurde veröffentlicht in: IKIM Journal (Malaysia), Bd. 7, Nr. 1, Jänner –   Juni 1999, S. 97 – 107.

- http://www.derfunke.de/rubrik/theorie/philosophie_in_der_islamischen_welt.html

- http://www.moslem.at/islam/

-politikforum.de „Was die moderne Zivilisation dem Islam schuldet“